Die versteckte Mechanik in Meggendorfer-Bilderbüchern und weiteren.

Während die Dreidimensionalität von Pop-Up-Büchern gut dokumentiert ist und viele Bewegungsmechanismen in Büchern erklärt werden und in nachbaubaren Modellen angeboten werden, sind die flachmechanischen Bilderbücher meist noch überhaupt nicht analysiert und ihre Bildanimation ein Getriebegeheimnis zwischen zwei Kartondeckeln geblieben.

Vor nun fast 40 Jahren versuchte ich einmal die Bärenszene aus dem Meggendorfer Reprint und  Ziehbilderbuch „Daumenlang und Damian“ in Bezug auf die Schirmbewegung zu analysieren (im Video des portugiesischen Youtubers raiugas bei 0.57). Der Schirm wird hier nicht . einfach zur Seite verschoben, sondern wird  zur Abwehr des Bären hin-und hergerollt, was dem Bild viel mehr Tiefe und Räumlichkeit gibt. Aber wie konnte das Meggendorfer erreichen ? Die seitenverkehrte Zeichnung (Rückseite des Bildes) zeigt die sehr intelligente Lösung:

(Abbildungen aus meinem Buch:  Falk Keuten: Mechanische Spielobjekte und Automaten, 1987)

Ein schönes Beispiel  für einen Blick in die Mechanik eines Ziehbilderbuchs von Lothar Meggendorfer bietet das amerikanische Buch „The Genius of Lothar Meggendorfer – A Movable Toy Book“ mit einer Auswahl von 5 Bildern, eingeführt von Maurice Sendak, der ein großer Bewunderer von Meggendorfer war. Dieses Buch erschien mit den 5 Reproduktionen 1985 bei Random House. Das letzte Ziehbild einer Billiardszene kann man mit der ganzen Mechanik auf der Rückseite bestaunen. Ein solch schöner Einfall ist bei allen Reprints des Esslinger Verlags nicht zu finden.

Als ich Mitte der 90ger Jahre dieses Buch im modernen Antiquariat von Walther König in Köln für nur 10 Mark sah, war die Freude so groß, daß ich es  mir gleich 20 mal kaufte. In den nächsten 20 Jahren allerdings war dieser Vorrat durch die Eignung zum Edel-Mitbringsel aufgebraucht.

Das letzte  Ziehbilderbuch Meggendorfers,  das als Reprint bei Esslinger im Jahre 2009 erschien, hatte den Titel „Zum Zeitvertreib für brave Knaben und Mädchen“ und war an das Original von 1885 angelehnt.  Schneidet man es auf, bekommt man ein dreieinhalb Meter langes Leporello mit dem Text und den 7 Bildern auf der Vorderseite und den entsprechenden sieben Mechanismen mit Zugstreifenantrieb auf der Rückseite.. Einer meiner Lieblingsphantasien besteht darin, diesen nackten weißen Leporellostreifen ohne Buchtitel nur mit den sieben merkwürdigen Papiermaschinen an die Wand einer Kunstgalerie zu hängen. Ohne das Wissen, daß es aus einem movable book gewonnen ist, würde der Betrachter in Staunen und Nachdenken versetzt.


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Eins der seltenen flachmechanischen Exemplare der Gattung ‚movable books‘ ist das vor über 20 Jahren  bei Dutton Publisher erschienene  amerikanische Buch  „Knick-Knack Paddywhack“, was auf einem nursery rhyme song beruht, in dem rhythmisch von 1 – 10 gezählt wird. Der Illustrator Paul O. Zelinsky hat es zusammen mit dem paper engineer Andrew Baron gemacht.

Weswegen ich es hier erwähne, ist die Tatsache, daß der Illustrator Paul O.Zelinsky auf seiner Webseite in seiner Buchbeschreibung auch eine Röntgenaufnahme neben dem Videoclip der Dokumentation eines Beispieles aufgeführt hat. Es ist ein Beispiel, wie man den verborgenen Mechanismus in seiner Kinematik sichtbar machen kann.  Eine solche Untersuchung würde ich mir für alle flachmechanischen Meggendorfer-Bilderbücher wünschen.          https://www.paulozelinsky.com/peek.htmlNachtrag vom 16.Dez.: gerade entdecke ich dieses Video, in dem der asiatische PopUp-Liebhaber mehr wissen will über das letzte sehr komplexe Bild aus diesem Buch !


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Jedoch das schönste Beispiel einer Erklärung von Meggendorfer-Mechanismen finden wir bei der schon früher erwähnten italienischen Fondazione Tancredi di Barolo mit ihrem Video „Libri animati a leveraggio“


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