Historischer Jahrmarkt, Bonn-Pützchen – dieses und die nächsten beiden WE’s

Es ist ein sehr sehenswertes Event, das anders als die üblichen Historischen Jahrmärkte in einer geschlossenen Halle stattfindet, in der sich viele alte und sehr alte Fahrgeschäfte und Buden auf der begrenzten Fläche den Platz teilen. Die Idee des Veranstalters, der Freundeskreis Pützchens Markt mit der Bonner Schaustellerfamilie Markmann, war es eine Art temporäres Museum der Schaustellerei zu schaffen und dabei auch alle Attraktionen bespiel- und befahrbar anzubieten.

Auszug aus der städtischen Ankündigung:  „Zu sehen sind aber auch noch ältere (Fahr-)Geschäfte, darunter ein Pferdekarussell, das aus dem Jahr 1885 stammt. Außerdem werden folgende nostalgische Attraktionen gezeigt: ein Riesenrad (Baujahr 1904), eine Schiffsschaukel (Baujahr 1910), eine Raupenbahn (1926), ein Kinderhängekarussell (1929), eine Berg- und Talbahn „Fahrt ins Paradies“ (1939), eine Geisterbahn (1947), ein Flohzirkus und ein Kasperletheater (beide 1948) und ein Autoscooter (1950). Die meisten davon kann man nicht nur bestaunen, sondern auch selbst ausprobieren.“

Beim Besuch dieses Jahrmarktes kam ich mit dem Senior der Schaustellerfamilie Schleifer aus Zülpich, dem äußerst sympathischen 81-jährigen Jakob Schleifer, ins Gespräch, der mir die alte Methode vorführte, wie elektrisch betriebene Karussells in Fahrt gebracht werden. Sie besaßen  keine Gangschaltung, sondern einen Wasseranlasser, der die Stromzufuhr über das Eintauchen in eine Salzwasserlösung kontinuierlich steigert. Herr Schleifer führte das mit dem auf dem Foto im Vordergrund sichtbaren Gerät vor, um so ein fast 100 Jahre altes Kettenkarussell zu starten. Diese Technik sei auch im dort stehenden Pferdekarussell und der Berg-und Talbahn vorhanden.

Funktion des Wasseranlassers (Jakob Schleifer)

Die Familie Schleifer, die auf historische Fahrgeschäfte und Kirmesorgeln spezialisiert ist, trug auch diese Berg- und Talbahn von 1939 bei, deren Zentrifugalkräfte auf mich sehr beeindruckend wirkten, wenn der Wasseranlasser auf volle Kraft gefahren wird. Man könnte Angstgefühle bekommen, daß bei der Holprigkeit des Ablaufes das Fahrgeschaft   „Die Fahrt ins Paradies“(!) irgendwann auseinanderfliegt. Es ist ein Schausteller-Schätzchen , welches eine abenteuerliche Geschichte seiner Wiederentdeckung vorweisen kann.

Ein weiteres Juwel der Kirmesgeschichte ist dieses seit fast 6o Jahren über die Plätze ziehende Geschäft „Geister-Express“ von Michael Schneider, das von seinem Großvater Willi Steiger und dessen Bruder Adolf 1948/49 gebaut wurde in einer Zeit des größten Mangels kurz nach dem 2.Weltkrieg. Über die Kirmes-Dynastie Schneider aus Ost-Westfalen machte der WDR vor 6 Jahren einen Film, in dem diese Geisterbahn ab Minute 36 unter anderem erwähnt wird. In etwas neckisch-nerviger Weise  berichtet dieser Kirmesfan über dieselbe Bahn.

Bemalung am Geister-Express

In einem mobilen Kirmeswagen hat Vincent Bouman aus Holland einen Miniaturjahrmarkt installiert, der mit tausenden Lichtern alle Kirmesmodelle auch in Bewegung zeigt:


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Und hier ein Kinderkarussell der Firma Hennecke aus den 50ger Jahren. Es stand vor Schuhgeschäften der Firma Salamander:

Dies ist nur eine kleine Auswahl des Historischen Jahrmarkt in Bonn Pützchen. Leider habe ich zu meinem mich speziell interessierenden Fachbereich der alten Schießbuden mit mechanischen Schießscheiben nichts gefunden. Sie scheinen äußerst selten geworden zu sein. Ich kenne nur 3 museale Stellen in Deutschland, wo man so  etwas sehen kann: die Schaustellungssammlung von Florian Dering im Münchner Stadtmuseum,  die Schießhalle Schönhagen und Genert im Stadtmuseum Münster und einige mechanische Schießscheiben im Freilichtmuseum Kommern während des dortigen jährlichen Historischen Jahrmarktes. Ein eigenes Kapitel dazu findet man im Referenzbuch „Volksbelustigungen“ von Florian Dering (1986) und auch etwas in meinem Buch „Mechanische Spielobjekte…“(1987). Zum Schluß ein Foto aus letzterem Buch.  Übrigens bin ich stark an weiteren Infos zu diesem Thema interessiert, besonders an Videos solcher Stücke meist aus dem vorvorigen Jahrhundert.

(Schießscheibe „Der Blaue Montag“  um 1900 oder etwas früher, Münchner Stadtmuseum, aus meinem Buch „Mechanische Spielobjekte…“)

 

 

 

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